Die Burg in Hattenheim

von Sebastian Schaub im Juli 1979

Wenig beachtet und dennoch eines der interessantesten Baudenkmäler des Rheingaues, ist der mächtige Wohnturm der einstigen Burg von Hattenheim. Sie gehört wie die Burg Vollrads zu den Turmburgen. Durch ihre Lage wird sie in ihrer monumentalen Wirkung stark beeinträchtigt. Der flüchtige Besucher Hattenheims bekommt sie nicht zu Gesicht, so er nicht auf den "Bau", wie sie der Alteingesessene auch nennt, hingewiesen wird.

Der Wohnturm, dessen Mauern einen Meter stark sind und dessen Innenmaße rund sieben zu elf Metern betragen, hat vier Stockwerke, die durch Balkenlagen getrennt waren. Die Steinkonsolen im Inneren zeigen heute noch die Auflagenfür die Deckenbalken.

Es ist zu vermuten, dass sie früher nicht nur von einer Mauer, sondern auch von einem trockenen Graben umgeben war, schreibt Dr. Werner Kratz in "Baudenkmale und Geschichte von Hattenheim". Denkbar und sogar wahr-scheinlich ist, dass nicht nur ein trockener Graben die Burg umgab. Der Leimersbach, an einer Stelle außerhalb der Mühle, bzw.des Mühlgrabens gestaut, konnte das Wasser zur Bewässerung des Burggrabens hergeben. Die Wilhelmstrasse wurde erst im 19. Jahrhundert angelegt. Nördlich der Burg waren Gärten, Äcker und somit der Weg frei für einen Bewässerungsgraben.

Wir können davon ausgehen, dass Kirche und Burg die ersten größeren Bauten in Hattenheim waren. Der Greiffen-clauer Hof stammt aus späterer Zeit. In dieser Zeit war die Umgebung der Burg verändert und sicherlich durch die enge Bebauung keine Befestigung durch Gräben mehr möglich.

Der jetzige Zustand vermittelt kein Abbild der ursprünglichen Beschaffenheit. Fast alle Fenster sind vermauert, die Deckenbalken entfernt. Vom Kamin sind nur Reste erhalten.

Der Zugang zur Burg wird aus Sicherheitsgründen nicht im Erdgschoss gewesen sein. Man darf annehmen, dass sich der Zugang aus Holz im Obergeschoss befand, der bei einem Angriff hochgezogen werden konnte. Es bleibt noch ein Hofmannshaus im Burgraum zu erwähnen, das aus dem Jahre 1686 stammt, also nach dem Dreißig-jährigen Krieg entstanden ist.

Eine Zerstörung der Burg hat erkennbar nicht stattgefunden. Plünderungen in unruhiger Zeit waren allerdings nicht selten.

Die damaligen Bewohner haben ihre Behausung verlassen und eine bequemere in Eltville gesucht. Dr. Kratz führt hierzu aus:

"Die Einlösung eines bis dahin in Langwerthscher Hand gewesenen ertragsreichen Zehnten durch das Haus Nassau-Idstein, gab Philipp Reinhard den Anstoß, als Ersatz dafür 1711 den Stockheimer Hof zu Eltville zu kaufen, der seinem Vetter Hans Christopf von Allbrunn als Ehemann der letzten Stockheimerin gehörte. Philipp Reinhard nahm nun dort seinen Wohnsitz und behielt ihn auch inne, als einige Jahre später sein Mutter in Hattenheim starb. Ebenso haben die folgenden Generationen ihren Wohnsitz in Eltville behalten."

Der Wohnplatz Eltville war gewiss nicht nur wegen der angenehmeren Behausung aufgesucht worden. An erster Stelle dürfte die Sicherheit in den Mauern Eltvilles gestanden haben.

Ein verlassenes Gebäude wird erfahrungsgemäß nicht sonderlich gepflegt. Nach dem Verfall des Wohnturms war sein äußeres Erscheinungsbild fast ruinenhaft zu nennen. Erst die Erneuerung des Daches in den 60er Jahren brachte den Willen zur Erhaltung des historisch wertfollen Bauwerkes zum Ausdruck.

Die Verwaltung des Freiherrlich Langwerth'sche Weingutes versúchte in der Nachkriegszeit wiederholt, den Wohn-turm einer Verwendung zuzuführen. Aber erst im Jahre 1979 ist durch die Hilfe und Arbeit des Burg- und Ver-schönerungsvereins Hattenheim e.V. Wandel geschaffen worden. Fleißige Mitglieder des Vereins haben durch Selbsthilfe und mit Unterstützung der Stadt Eltville die Instandsetzung der Burg möglich gemacht.

Die Stadt Eltville gab eine Beihilfe von DM 25.000,--, was nicht selbstverständlich war. Aber an erster Stelle muß der Name des 1. Vorsitzenden Adolf Horne genannt werden ohne dabei den Einsatz der ihm zur Seite Stehenden zu vergessen. Was sich hier an Zielstrebigkeit, Arbeitswillen gepaart mit Fleiß und Schaffenskraft zeigte, fordert hohe Anerkennung.

Das Alter des "Baus"

Es finden sich heute weder am Mauerwerk noch im Innenraum Bauformen, aus denen das Alter exakt zu erkennen wäre. Urkunden, die einen festen Anhaltspunkt für die Errichtung der Burg geben könnten, liegen nicht vor. Wir sind also auf sehr un-genaue Angaben angewiesen. Dehia-Gall spricht von einem spätgotischen Bau. In welche Zeit fällt die Spätgotik? In "Kleine Kunstgeschichte Europas" von Hans Weigert, 6. Auflage, fällt die Baukunst der Spätgotik in die Zeit von 1344 - 1502. Während dieser noch immerhin großen Zeitspanne wurden berühmte spätgotische Bauwerke wie der Dom in Prag 1344, das Ulmer Münster 1377 und die Marienkirche in Danzig 1378 begonnen.

Heinrich Freiherr Langwerth von Simmern setzt die Entstehung der Burg in die Zeit der Hattonen, also in das 10. Jahrhundert.(vergl. Dr. Kratz, Baudenkmale und Geschichte von Hattenheim Seite 11)

Dass vor dem Bau des Wohnturms eine kleinere befestigte Anlage bestanden hat, ist wahrscheinlich.

Aufzeichnungen im Staatsarchiv Wiesbaden sagen, dass die Burg vor 1118 von den Herren von Hattenheim gegründet wurde und 1411 durch Erbgang an die Herren Langwerth von Simmern gelangt sei.

Wer waren die Herren von Hattenheim und die Herren der Burg?

Namen der Besitzenden aus der Zeit vor dem 15. Jahrhundert sind nur ungenau zu bestimmen. Erst mit der Familie Langwerth von Simmern betreten wir sicheren Boden, was den Besitzstand der Burg angelangt.

Zur Lage der Burg bleibt noch zu erwähnen, dass sie keine Millitärische Bedeutung hatte. Sie stellte lediglich eine Schutz-funktion der Bewohner, nicht eine Landschaft beherrschende dar.

Juli 1979